Heimat einer deutschen Minderheit

Deutsche Minderheiten in Oberitalien

 

Danke Martina !

Die Alpen sind ein Grenzgebiet.
Infolgedessen haben sich die Völker, die dort leben, oft untereinander vermischt.
Italiener leben in Frankreich, der Schweiz, Slowenien, Franzosen leben im Aosta Tal und in den okzitanischen Tälern des Piemont, Slowenier leben im Friaul und im Julischen Venetien. Ganz zu schweigen von den Ladinern (rätoromanischen), die in Graubünden, in den Dolomiten und im Friaul leben.
Die wichtigste Minderheit in Ober Italien nach der friaulischen, ist die deutsche, die in Südtirol lebt.
Deutsche Dörfer befinden sich im ganzen Südteil der Alpen, vom Aosta Tal bis Udine.
Diese Minderheiten waren unter dem Faschismus beinahe verschwunden.
Jede Sprache außer Italienisch, war verboten worden.
Das Deutsche hat dank den so genannten „Katakomben Schulen“ überlebt, die besonders bei den Walsern und den Südtirolern, tätig waren. Bei der Rückkehr der Demokratie, gab es Jahre von Desinteresse für die Minderheiten, die lediglich Anfang der 70ziger Jahre abermals entdeckt und aufgewertet worden waren. Museen und Kulturzentren sind wie Pilze aus der Erde geschossen, um die örtliche Redeweise zu bewahren und zu lehren.
Diese Zentren werden von den Regionen, in denen diese Dörfer sich befinden, finanziert, aber auch von schweizerischen bzw. bayerischen Stiftungen. Leider wird aber Hochdeutsch in diesen Zentren gelehrt, denn es gibt keine Lehrer, die die Dialekte unterrichten können, (abgesehen von einigen Ausnahmen). Heute besteht lediglich ein Teil der Bevölkerung aus aktiven Sprechern (die die Sprache verstehen und reden), ein großer Teil, oft die Jüngeren, sind passive Sprecher (die die Sprache verstehen, aber die sie nicht sprechen). Die schriftliche Sprache ist immer Italienisch.
Trotzdem, dank den Kulturzentren, in den letzen Jahren wurde eine viel größere Menge Schriftstücke in den originellen Sprachen als in den vorigen Jahrhunderten hervorgebracht Anfang des 20.Jahrhunderts, hat es den Vorgang der „Romanisierung“ der Namen gegeben.
Nachnamen wie Lorenz, Vinzenz und Zumstein sind Laurent, Vincent und Delapierre oder Della Pietra geworden, Zurbriggen ist Del Ponte geworden. Vielleicht ist die Schweizerin Carla Del Ponte walserscher Herkunft. Dieser Vorgang wurde von Robert Musil, der sich während des 1.Weltkrieges im Bernstol bei Trient aufgehalten hat, in seiner Kurzgeschichte „Die Portugiesin“ kurz erwähnt.
Im Aosta Tal, einer von einer starken französisch-provenzalischen Minderheit besiedelten Region, wird das Problem der Minderheiten besonders empfunden.
Im Lystal (ehemaliges „Krämertal“) sind drei Dörfer von den Walsern besiedelt. Die Walser stammen aus der Zentralschweiz . Später haben sie vom Wallis aus die Täler um den Monterosa besiedelt und sind danach bis nach Österreich vorgedrungen -. Die Dörfer sind Gressoney-la-Trinité (Greschòney Oberteil), Gressoney-Saint-Jean (Greschòney Onderteil o Méttelteil) e Issime (Eischeme).
Zwischen den beiden Gressoney und Issime befindet sich das Dorf Gaby, wo die Bevölkerung und die Sprache französisch-provenzalisch sind.
Der Name „Greschòney“ stammt aus „Greschen-eje“, Kressenau.
Die Sprache, die in Gressoney gesprochen wird, heißt „Titsch“ und sie ist anders als das „Töitsch” das in Issime/Eischeme gesprochen wird. Dort ist, durch die Isolation des Dorfes, ein älteres Deutsch erhalten geblieben. Im Walser Kulturzentrum, einem sehr aktiven Zentrum, wird Hochdeutsch unterrichtet.
Ein Wörterbuch töitschu/titsch-italienisch, ein italienisch-töitschu/titsch, wurde veröffentlicht sowie Schulbücher (Ich leerne töitschu, Éch léré titsch) und ein Liederbuch “Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, /böse Menschen haben keine Lieder”. Um den Unterschied zwischen den walserschen Dialekten zu verstehen, betrachte man folgendes Beispiel: in Gressoney sagt man „wier redo titsch”, a Issime „wir schwetzen töitschu”.

Unter den piemontesischen Walsern, in Alagna/Imland heißt „sprechen“ „schwätzu“.
In Rimella (Rimellju, Remmalju) kennt man das archaische „schpallu“, aus dem alten Deutsch „spëllon“, „erzählen, reden“.
In Val Formazza (Pomatt) hört man das Pumáttertiitsch, wir zellu, zelle tiitsch.
Die Nicht-Walser werden „Wailschu“ (Welschen) genannt.
Das Wort Welsch stammt aus Wahle, dem germanischen Namen des keltischen latinisierten Stamms der Volcae. Als dieses Wort nach Ost emigrierte, verwandelte es sich in Wlah, Wlasen, Walachen, die Namen des Archipels der lateinischen Völker, in der Slawischen See versunken .
Im Piemont überleben die Walser in Macugnaga (Z’Makanà) und im Val Formazza (Pomatt).
Das Wort „Pomatt“ stammt vielleicht von „Baum Matte“
In Bosco Gurin, einem Dorf im Tessin, das an Pomatt grenzt, sprechen ungefähr 50 Leute (die Hälfte der Bevölkerung) Deutsch.
Ein Walser aus Z’Makanà ist Mathias Zurbriggen gewesen, der Eroberer von Aconcagua.
In den anderen Tälern des Monte Rosa sind die Spuren der Walser lediglich in der Baukunst und in den Namen der Orte zu sehen.
In Alagna/Imland wird das „Titschu“ von 15 alten Einwohnern (von 450) gesprochen, deren Kinder die Sprache lediglich verstehen (passive Sprecher).
Jedes Jahres wird ein Kurs veranstaltet der von einem Einheimischen abgehalten wird.
Eine Trachtengruppe „Die Walser im Land“ (die an den „Walsertreffen“ teilnimmt) ist tätig.
Vallorcine ist eine französische Gemeinde im dem Departement von Haute-Savoye. Sie wurde von den Walsern, mit drei Dörfern „Les Allamands“ genannt, gegründet. Heute ist sie völlig französisch.
3500 Walser ungefähr leben in Italien, 1300 in der Schweiz und 10000 in Österreich.
Jedes Jahres wird ein Walsertreffen veranstaltet, eine Zusammenkunft eines Volkes, zwischen drei Staaten zerfallen.
Es existiert eine Literatur in walserscher Sprache.
Unter den Schriftstellern der Vergangenheit ist Louis Delapierre (Zumstein) aus Gressoney zu nennen, der Gedichte, Sprichwörter und Satiren hinterlassen hat, unter den jüngsten Irene Alby aus Issime/Eischeme, starke Verfechterin des Walser Kulturzentrums.


Die Zimbern wohnen im Venetien und im Trentino.
«Die Alten nannten Cymbria jene Stadt, die jetzt Vicenza heißt.».
Der Name stammt nicht von jenem Volk, die von Jütland hinunter gekommen war und im ersten Jahrhundert nach Christus, vom Römischen Konsul Mario besiegt worden war, sondern von „Tzimberer“. Diese waren Holzfäller und Zimmerleute aus Südbayern, die vom Erzbischof von Verona gerufen worden waren, um einige Teile von Venetien und Trentino zu besiedeln. Am Anfang siedelten sie sich in der Hochebene von Asiago/Sleghe (die sieben Gemeinden) an, dann verstreuten sie sich über das Veronesisch (in Lessinia, die dreizehn Gemeinden) und im Trentino (Lusern).
Ihre Sprache heißt „Tautsch“.
Die Zimbern von Asiago/Sleghe und ihre Kultur werden in den Büchern von Mario Rigoni Stern geschildert.
Der Nachname Rigoni stammt aus „rich“ von Heinrich, Friedrich, u. s. w.
„Bar boun rèidan, haiute, morgan, asbia béart, léarn rèidan in tautsch in usarne jungan."
(„Wir wollen reden, heute, morgen, so wie immer, unsere Kinder deutsch reden lehren.")
Ziel der heutigen Sprachkurse.
Die in den Dreizehn Gemeinden gesprochene Sprache "Tautsch" hat lediglich in Roana/Roboan und Giazza/Ljetzan überlebt.
Aus Roana/Roboan stammt Roberto Fabris, olympisches Gold in Eislauf in Turin.
Der Nachname Fabris ist die Latinisierung des Namens Smidele, kleiner Schmidt.
Laut jüngsten Angaben des Lehrers Giovanni Molinari gibt es in dem gesamten Gebiet der dreizehn Gemeinden rund 200 aktiv Sprechende und dazu etwa 300 Personen, die das Zimbrische verstehen.
In der Schule wird die zimbrische Sprache höchstens eine Stunde in der Woche unterrichtet. In Abendkursen wird ebenfalls Sprachunterricht erteilt. Als eines der Hilfsmittel ist das Sprachbuch „Bar lirnan tàuc" (wir lernen Deutsch) zu erwähnen.
In Giazza/Ljetzan gibt es das Zimbrische Museum , das den Kurs “Tzimbar Lentak” (Lebendes Zimbrisch) anbietet.
Die Sprache ist besser bewahrt in Lusern bei Trient. Ein regionales Gesetzt sieht für die Zimbern und die nahegelegenen Bernstoler (Mòcheni) eine Vertretung im regionalen Rat vor. Lusern ist das südlichste Dorf Mitteleuropas in dem man Deutsch spricht.
Eine Zeitung aus Trient veröffentlicht wöchentlich eine Seite auf Zimbrisch („Sait vo Lusern“) und von einem örtlichen Fernsehen wird wöchentlich eine Sendung übertragen "Zimbar Earde"

Die Bernstoler (Fersentaler) , die von den Italienern „Mòcheni“ genannt werden, weil sie „mochen“ statt „machen“ sagen, besiedeln das Bernstol (val Fersena) im Trentino. Die Sprache wird „Bernstoler Sprooch“ genannt. Eine Sprache mit bayerischen und tirolerischen Elementen.
Sie wird von mehr als 2000 Menschen, die in Roveda di Palù/Palae, Fierozzo/Glarotz und Frassilongo/Garait leben, gesprochen.
Robert Musil, der sich im Tal während des ersten Weltkrieges aufhielt, spricht darüber in einigen Erzählungen und nennt es "das verzauberte Tal".
In Trient mehr als 1000 Menschen sprechen das Zimbrisch von Lusern und das Bernstoler.


Im Venetien, in Plodn/Pladen/Sappada wird der Dialekt des nahe gelegenen Pustertal gesprochen.
1000 von 1500 Einwohnern sprechen diesen Dialekt.
Das Dorf gehörte bis 1918 zu Österreich und wurde, nach dem Krieg mit der Provinz Belluno vereinigt statt mit Friaul oder Südtirol. Dasselbe geschah mit Cortina, das jetzt aus finanziellen und nicht kulturellen Gründen wieder zu Südtirol gehören möchte.
Sappada ist ein wichtiger Ferienort geworden und das hat die Einwanderung von vielen italienischen Arbeitern bedingt.
Neben dem Pustererischen sind das Friaulische wie gesprochene Sprache und das Italienische wie geschriebene Sprache geläufig.
Schriftliches Deutsch wird in der Schule (zwei Stunden pro Woche) unterrichtet aber es wird von der Bevölkerung mit Unsicherheit verwendet.
Finanzierungen für den Sprachenerhalt werden bereitgestellt, aber, es fehlen, wie in anderen Fällen, die Lehrer, die diese Sprache unterrichten können.
Nach einem Bericht des Kultur-Vereins „Plodar“ sprechen alle vor 1970 geborene Plodarisch, bei den jüngsten sind es nur 20 Prozent.


Im Friaul befindet sich das Dorf Tischlbong/Timau in dem ein Dialekt von kärntnerisch südbayerischer Herkunft gesprochen wird.
Der Name „Tischlbong“ bedeutet „Wiese wo das Täschelkraut wächst“.
Bis in den 50ziger Jahren wurde der Dialekt von der Bevölkerung gesprochen, später haben nach und nach Friaulisch und noch mehr Italienisch die Oberhand gewonnen.
Heute wird der Dialekt von den älteren Einwohnern gesprochen und ein bemerkenswerter Teil der erwachsenen Bevölkerung beherrscht die drei Sprachen.
Unter den Jüngeren nimmt das Zahl der Sprechenden ab.
Tischlbong hat 450 Einwohner.
Viele Kulturstiftungen existieren, Kulturvereine, Chorvereine, Folksgruppen, die den Zweck verfolgen, die alte Kultur zu bewahren und weiterzuvermitteln.
Heute wird in der Schule der Dialekt zusammen mit dem Friaulisch wie eine Minderheitensprache unterrichtet.
Das „Bartarbuach va Tischlbong" ist veröffentlicht worden, ein interessanter Versuch die alten Ausdrücke der Sprache zu bewahren.


Zahre/Sauris ist ein entlegenes friaulisches Dorf, das berühmt ist für seinen Schinken.

500 von 700 Einwohnern sprechen dort einen alttirolerischen Dialekt, der ähnlich jenem in Pladen ist.
Muttersprachige Lehrer lehren die Schüler Zahrerisch und die Zeitung „De Zahre Reidet”, die von der örtlichen Kultur handelt, wird veröffentlicht.
Neben dem Friaulischen wird dieser Dialekt auch in der Kirche und in dem Alltagsleben benutzt und er ist von den lateinischen Beiträgen beeinflusst, mehr als jener von Pladen.
Italienisch bleibt die geschriebene Sprache.


Das Kanaltal im Nordfriaul (von Pontebba/Pontafel bis Tarvisio/Tarvis) zählt 7000 Einwohner, von denen 20 Prozent Deutsch sprechen oder Windisch, eine Mischung von "theutsch und crainerisch" (Kärntnerisch und Slowenisch).
Die deutsche Sprache wird in der Volksschule unterrichtet und der „Kanaltaler Kulturverein“ veranstalt Abendkurse für Erwachsene. Selbstverständlich gibt es enge Beziehungen mit dem nahen Kärnten.


Der „Komitee der historischen deutschen Sprachinseln in Italien" hat seinen Sitz in Lusern und verfolgt mit Aufmerksamkeit die Einhaltung und die Entwicklung des Schutzgesetzes der Ethnisch- und Sprach-Minderheiten in Italien.

 


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